Ein Gespräch mit Elio Jaillet.
Du warst an der Erstellung eines Studienpapiers zum Thema „Die christliche Rede von Gott“ beteiligt, das in Sibiu diskutiert und verabschiedet wurde. Wie hast du die Diskussion erlebt?
Sie war friedlich und konstruktiv. Es war kein umstrittenes Thema während der Versammlung. Die Leichtigkeit, mit der der Text aufgenommen wurde, spiegelt nicht unbedingt die Herausforderungen wider, vor denen wir während der Redaktion standen, wo wir mit teilweise erheblichen theologischen Differenzen arbeiten mussten.
Es ist das erste Mal, dass die GEKE explizit formuliert, wer für sie Gott ist. So viele individuelle Arbeiten über Gott es sowohl im akademischen Bereich als auch in der allgemeineren Literatur gibt, so selten sind kollektive und kirchliche Texte. Die Tatsache, dass die GEKE sich nun dieses für die christliche Präsenz und den christlichen Diskurs in der heutigen Gesellschaft zentrale Thema zu eigen macht, signalisiert auch eine neue Phase ihrer Entwicklung: Nachdem sie die Aushandlung der Streitpunkte der Vergangenheit abgeschlossen und die Grundlagen der gegenwärtigen Gemeinschaft gefestigt hat, kann sie sich nun mit den Fragen und Spannungen auseinandersetzen, die den zeitgenössischen Dynamiken eigen sind.
Der Beitrag wurde besonders dafür geschätzt, dass er eine repräsentative Position für die protestantischen Kirchen in Europa artikuliert und gleichzeitig eine Reihe von aktuellen Problemen anspricht: zum Beispiel das Bekenntnis zu einem allmächtigen Gott oder die Artikulation des Sprechens über Gott durch die Kirchen in der Öffentlichkeit.
Die Diskussion um diesen Text hat auch eine Reihe von Punkten hervorgebracht, an denen wir die Diskussion wieder aufnehmen müssen: insbesondere in Bezug auf das Verständnis von Sünde und Elemente der Trinitätslehre.
Bei unserer Vorbereitung hattest du den Kerngedanken des Dokuments so zusammengefasst: Die GEKE betont, dass ein angemessenes Verständnis der Rede Gottes nur von seiner Selbstoffenbarung in Jesus Christus erwartet werden kann. Können Sie dies auf einfache Weise erklären?
Diese Idee ist für den christlichen Glauben zentral. Das Verständnis, das er von Gott hat, stammt nicht von einer allgemeinen Idee oder Vorstellung von Gott, wie sie die Philosophie oder eine Kultur (religiös oder nicht religiös) artikulieren kann. Es stammt auch nicht aus der Erfahrung, die jeder und jede Einzelne im Alltag mit Gott macht (oder nicht macht). Für die Kirche ist es das Leben, der Tod und die Auferstehung von Jesus von Nazareth, der als der Christus Gottes anerkannt wird, in dem Gott sich zeigt, sagt und verständlich macht, wer er ist. Diese Anerkennung ist selbst ein Zeugnis für den Glauben, das Vertrauen, das in den Gott Jesu Christi gesetzt wird.
Vielleicht müssen wir noch zwei weitere Präzisierungen vornehmen, um die Konturen dieser Aussage richtig zu erfassen: 1. Diese Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist nicht abgeschlossen. In gewissem Sinne geht sie jetzt weiter. Sie ist immer wieder neu zu empfangen, im Zuge der kulturellen Veränderungen, der jeweiligen Kontexte und Lebenssituationen. Das bedeutet, dass das, was wir zu einem bestimmten Zeitpunkt über Gott gesagt haben, immer wieder kritisch überdacht werden muss. In diesem Sinne ist das Nachdenken und die Entwicklung einer christlichen Rede über Gott eine nie endende Aufgabe, die grundlegend von dem abhängt, was Gott für heute über sich selbst zu erkennen gibt; 2. Diese Aussage bedeutet nicht, dass Gott nur in Jesus Christus gegenwärtig ist. Er ist überall dort gegenwärtig, wo der Geist das Leben, das Gott schenkt, schafft und erhält. Aber Jesus Christus (seine Person, seine Geschichte) dient als Bezugspunkt, um die Wahrheit Gottes in der Vielzahl vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Gotteserfahrungen und der sie begleitenden Geschichten und Gedanken zu interpretieren und zu erkennen.
Welchen Nutzen ziehen die Kirchen aus diesem Dokument in der Praxis?
Dieser Text ist ein Bezugspunkt, der es ermöglicht, den Diskurs und die Kommunikation zu strukturieren. Ich halte ihn auf zwei Ebenen für besonders relevant.
I. In Situationen des (interreligiösen und ökumenischen) Dialogs und bei öffentlichen Auftritten kann dieser Text als Grundlage dienen, um eine protestantische Position zu Gott darzulegen. Wenn uns im Protestantismus jemand nach unserer Sicht von Gott fragt, müssen wir oft betonen, dass das, was wir in dieser oder jener Situation über Gott sagen können, unsere persönliche Meinung widerspiegelt und nicht die allgemeine protestantische Sicht. Mit diesem Text ändert sich die Situation: Er bietet ein Stück gemeinsamer Rede, auf das man sich im Dialog stützen kann und das man den Dialogpartnern auch einfach als möglichen Ausgangspunkt anbieten kann, um über Gott ins Gespräch zu kommen.
II. Dieser Text lädt auch zu einer persönlichen Artikulation der Rede von Gott ein. Er hat natürlich keine lehramtliche Autorität: Die Bedeutung einer persönlichen Artikulation des Glaubens auf der Grundlage der Heiligen Schrift bleibt zentral. Aber er kann dazu auffordern, diesen oder jenen Punkt eines persönlichen Verständnisses von Gott zu vertiefen, sei es, weil man etwas anderes entdeckt, als man für sich selbst dachte, oder weil man mit dem, was dort geschrieben steht, nicht übereinstimmt. Durch das, was dieses Dokument setzt, öffnet es den Raum für eine persönliche Rede über Gott innerhalb der Kirche: Natürlich kann man auch ohne diesen Text von Gott reden. Aber er schafft den Raum für Zustimmung und Ablehnung innerhalb der Kirche, regt die persönliche Artikulation an und macht Vorschläge für eigene Denkwege.
Du warst als Beobachter bei der Versammlung anwesend: Wie hast du generell die Stimmung in Sibiu wahrgenommen?
Es war meine erste GEKE-Versammlung. Ich hatte jedoch an der Versammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe im Jahr 2022 teilgenommen und kenne unsere synodale Dynamik in der Schweiz. Es war ein Moment, in dem sich sowohl GEKE-Stammgäste als auch Neulinge mischten. Ich beobachtete eine grosse Mischung dessen, was das heutige Europa ausmacht: Herkunft, soziale Einordnung, Generationen, Sprachen und Kulturen in einer freundlichen, insgesamt herzlichen und wohlwollenden Atmosphäre. Die Gastgeberkirchen, das Team der Stewards und die allgemeine Atmosphäre in der Stadt Sibiu trugen zur Qualität dieser Erfahrungen bei. Die liturgischen Zeiten - mit Sorgfalt und Kompetenz aufgebaut - gehörten zu den Höhepunkten der Versammlung, die dazu beitrugen, uns zu verbinden. All dies vor dem Hintergrund der politischen Dimension, die durch den Rückzug der ungarischsprachigen reformierten Kirchen geprägt war. Das Dreieck Verfolgte - Verfolger - Retter wurde während der Debatten der Versammlung immer wieder aktiviert, wenn es um das heisse Thema Gender - Sexualität - Ehe - Familie ging, das einer der Auslöser für den Rückzug war. Am Ende der Versammlung wurde auch die konfliktträchtige Wirkung der Asymmetrien zwischen den Mitgliedskirchen spürbar: Asymmetrie in der Sprachbeherrschung - sowohl Englisch als auch Deutsch sind für viele Delegierte nur eine Zweit- oder gar Drittsprache; Asymmetrie in der Repräsentation der Kirchen - es war deutlich der Gewichtsunterschied zwischen Minderheitskirchen, die nur einen Vertreter entsandten, und Kirchen in Deutschland, die oft gut besetzte Delegationen hatten; Asymmetrie zwischen ordinierten Geistlichen und Laien; Asymmetrie spielt auch eine unterschwellige Rolle. Diese Punkte wurden in vielen Gesprächen thematisiert, die ich führen konnte, auch in der Gruppe, die das Mandat zur Entwicklung einer Ethik des Dissenses formulierte.
Ich sehe diese Aspekte nicht negativ. Es ist gut, dass diese Aspekte bei einer solchen Versammlung sichtbar werden: das Nebeneinander einer Adelphität, die durch das Teilen und die Liturgie gestützt wird, wie auch das Nebeneinander einer Konflikthaftigkeit, die mit der politischen Dimension der Beziehungen zwischen den Mitgliedskirchen verbunden ist. Dies verleiht dem Abendmahl, das wir zum Abschluss der Vollversammlung erlebten, seinen Wert und seinen Preis.
Welche Begegnungen sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Es gab zahlreiche und sehr berührende Begegnungen: Die mit einem tschechischen Pastor, der Djeeing und deutschsprachige liberale Theologie liebt, die mit einer schwarzen britischen Reformierten und ihrem Engagement für mehr Gerechtigkeit, die mit einem nach Irland eingewanderten Laien aus Süddeutschland, der sich für das Glaubensleben und die Liturgie begeistert, die mit diesen polnischen Protestanten und ihrer ansteckenden Freude, die mit einer niederländischen Expertin für Gender- und Sexualfragen, die mit einem ungarischen Reformierten, Theologieprofessor und Informatiker, der sich mit sozialen Fragen beschäftigt, die mit einem deutschen methodistischen Bischof, mit dem wir uns über die Konflikte in unseren Kirchen und die Art und Weise, wie wir uns ihnen nähern, austauschten.
Die Liste liesse sich fortsetzen. Jedes Mal sind es Kirchengeschichten, persönliche Geschichten, Figuren des europäischen Protestantismus, die ich entdecke - und ich bin zugleich erstaunt und fasziniert von der Tatsache, dass wir uns als Gemeinschaft untereinander bezeichnen: ein Zeugnis gegen die Dynamiken der Ausgrenzung und Polarisierung. Aber auch eine immense Herausforderung, denn diese Polarisierungen sind auch unter uns, innerhalb der Gemeinschaft der Kirchen, am Werk. Ein wunderbarer Lernort für das christliche Zeugnis und die Entwicklung einer Kirche, die sich mit den zeitgenössischen sozialen und politischen Dynamiken auseinandersetzt.
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