Kein Herz für muslimische Seelsorge?

SRF-Kultur titelt: «Neues Asylgesetz – Landeskirchen kritisieren Bundesgeld für muslimische Seelsorge». Sind die Reformierten etwa dagegen, dass auch andere Religionsgemeinschaften für die Seelsorge finanziell entschädigt werden? Geht es etwa darum, den eigenen, privilegierten Status auf Kosten der Muslime und besonders auf Kosten der Seelsorgesuchenden zu verteidigen?

Der Bund als Auftraggeber

Natürlich nicht! Wir wünschen uns, dass die muslimischen Seelsorgerinnen und Seelsorger durch öffentliche Gelder finanziert werden. Dafür haben wir uns auch in der Vernehmlassung zum neuen Asylgesetz klipp und klar ausgesprochen. Es geht aber in der vorliegenden Asylgesetzes-Revision um das grundsätzliche Verständnis von seelsorgerlichen Tätigkeiten. Neu soll der Bund Religionsgemeinschaften damit beauftragen. Seelsorge ist aber keine Verwaltungsaufgabe, die der Staat delegieren kann, sondern Bestandteil der Glaubensausübung, die in das Aufgabengebiet von Kirchen und Religionsgemeinschaften fällt und durch das Grundrecht der Religionsfreiheit garantiert wird.

Sicherheitspolitische Verzweckung

«Wer zahlt, befiehlt!», hört man oft. Es ist uns wichtig, besonders in den Bundesasylzentren (oder Zentren des Bundes), als unabhängiger Partner Seelsorge anzubieten und nicht als verlängerter, religiöser Arm des Staates. Seelsorge hat – anders als die Gesetzesänderung das vorsieht – keiner sicherheitspolitischen Verzweckung zu folgen, sondern hat sich einzig und allein an den Bedürfnissen der Personen mit einem Seelsorgewunsch zu orientieren.

Eine gemeinsame Geschichte

Seit den 1990er-Jahren werden Asylsuchende in den vom Bund geführten Asylzentren von Seelsorgerinnen und Seelsorgern begleitet. Die Rahmenvereinbarung für die regionalen Seelsorgedienste in den Empfangsstellen für Asylsuchende zwischen dem damaligen Bundesamt für Flüchtlinge (heute SEM), den Landeskirchen und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (heute in der Zuständigkeit des Verbands Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen, VSJF) stellen den Rahmen für die seelsorgerische Arbeit dar. Die schweizweite Koordination der kantonal geregelten Seelsorgedienste liegt bei der EKS. Seit einigen Jahren gibt es zudem eine muslimische Seelsorge und damit eine stärkere interreligiöse Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Seelsorge in Bundesasylzentren, was die Kirchen und der VSJF begrüssen.

Ungleich per Gesetz

Wenn die Asylgesetzesrevision in Kraft tritt, würde der Bund nur jene Religionsgemeinschaften finanziell unterstützen, die nicht in den Genuss von kantonalen Kirchensteuern kommen. Auf den ersten Blick klingt das fair. Aber das ist es keineswegs! Nicht alle Kantonalkirchen erhalten Kantonssteuern und wo sie ausbezahlt werden, sind sie an konkrete Leistungen geknüpft, die Kirchen für die Öffentlichkeit übernehmen. Die Arbeit in den Bundesasylzentren gehört nicht dazu. Um konkrete Geldbeiträge wollen wir gar nicht streiten. Die Freude, dass auch die muslimische Seelsorge vom Bund unterstützt werden soll, überwiegt. Aber diese Ungleichbehandlung auf Gesetzesebene zu verankern, wäre unnötiger Schritt in die falsche Richtung.

Eine falsche Front

Es ist viel fairer, sachgemässer und legitimer, die muslimische Seelsorge in dieses austarierte, tragfähige Netz zu integrieren, anstatt einen Sonderfall zu schaffen, der weder zur kantonalen Hoheit in Religionsfragen noch zur Seelsorge selbst passen will. Dazu hat die EKS, gemeinsam mit den anderen Landeskirchen und dem Verband Jüdischer Fürsorgen innerhalb der Vernehmlassung einen einfachen Vorschlag präsentiert.

Wir bedauern sehr, dass der SRF-Beitrag hier eine falsche Gegenüberstellung gemacht hat. Es stehen nämlich nicht Landeskirchen gegen Muslime. Es geht um das Verhältnis zwischen Religionsgemeinschaften, Kirchen und dem Staat.

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Rita Famos

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Eine Antwort

  1. „Daz wort gotts will ungebunden sin“ so antwortete vor 500 Jahren Heinrich Bullinger der Regierung, als diese die Kirche nach der Niederlage bei Kappel mehr an die Kandare nehmen wollte und gilt auch heute noch. Die Haltung der EKS kann nur unterstütz werden.

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