Als ich vor einigen Jahren in ein Pfarrbüro eines Zürcher Altstadt Pfarrers eintrat, da sah ich sie und war mir bewusst, dass es das Ende einer Ära war. Unter dem Fenster, geschützt durch ein orientalisches Gewebe und inmitten von Bücherbergen stand sie: Die Couch. Wenn nicht zum Therapieren so doch zum Träumen. Doch ihre Zeit war vorbei. Die Pfarrperson als Mystagogin und Lotse durch die Nachtmeerfahrten der Seele - diese Zeit ist passé und schon beinahe verdrängt.
Die Pfarrperson als Mystagogin und Lotse durch die Nachtmeerfahrten der Seele - diese Zeit ist passé und schon beinahe verdrängt.
Patrick Schwarzenbach
Nicht dass damit des Pfarrbüro wieder zur Studierstube geworden wäre, Gott bewahre, es wurde Büro und Arbeitsraum, Hub und Vorhof zum Email Purgatorium.
Langwieriges Studieren und Ausflüge der Seele scheinen nicht an der Zeit zu sein.
Erfrischend konservativ tönt da der Vorschlag des mittlerweile verstorbenen amerikanischen Theologen und Bibelübersetzers Eugene H. Peterson – nicht zu verwechseln mit dem Hummerkünstler aus Kanada – die Pfarrpersonen sollten sich wieder auf den Kern des Pfarramtes konzentrieren.
Er rät den Menschen in diesem Beruf, sie soll wieder zu einem unbusy pastor werden. Verbunden mit der Erkenntnis, dass pastors nicht für geleistete Arbeit, sondern für ihre Rolle bezahlt werden. Nicht die Stückzahl sei entscheidend, die Klicks, Emails und Events, sondern die eigene Präsenz.
Dabei wäre es natürliche ein Kurzschluss anzunehmen, dass das Füllen einer Rolle, das Handeln ausschlösse. Der Dorfpolizist muss auch eingreifen, wenn der Räuber auf freiem Fuss ist. Aber bezahlt wird er für seine Anwesenheit und bekommt den Lohn auch, vielleicht sogar noch verdienter, wenn im Dorf nicht gestohlen wird.
Dieses Rollenspiel der Berufe ist fast so selten geworden wie die Couch im Pfarrbüro und doch gibt es noch Rollen, welche sich der Logik Arbeit = Leistung = Lohn entziehen. Die Rolle der Pfarrerin und des Pfarrers ist eine solche – und ebenso die Diakonin und der Diakon - und solang es sie noch gibt, liegt darin eine ungeahnte Freiheit.
Für ihn gäbe es eigentlich nur zwei Gründe, so schreibt es Peterson in seinem Buch The Contemplative Pastor (EERDMANS 1993), warum er zu einem busy pastor werde. Das eine sei die Eitelkeit. Immer dann, wenn er wichtig und bemerkenswert erscheinen wolle, verwandle er sich in einen busy pastor. Volle Terminpläne, viele Besprechungen und unzählige versandte Mails, ein klares Zeichen dafür gut und wichtig zu sein.
Der zweite Grund sei die eigene Faulheit. Er sei gehetzt und gestresst, wenn er die anderen darüber entscheiden lasse, was er zu tun habe. Wenn er zu faul sei, nein zu sagen und sich eigene Prioritäten zu setzen.
Gelinge es ihm aber seine Zeit selbst zu planen, und der eigenen Eitelkeit zu entkommen, dann blieben für ihn drei essentielle Aufgaben des Pfarramtes.
Was wohl geschähe, wenn Stille und Gebet die Mitte unserer Aufgaben bildeten?
Wenn über der Schrift Tag und Nacht gegurrt und geknurrt würde?
Wenn Zuhören unserer Aufgabe wäre? Und das Verweilen beim Geheimnis unser täglich Brot?Patrick Schwarzenbach
Die Kontemplation und das Gebet als die Mitte dieses Amtes – die Stille und die Wüste vor dem öffentlichen Wirken. Er wolle sich nicht als Parasit von der spirituellen Erfahrung anderer ernähren, sondern selbst ganz in die Erfahrung involviert sein und auch andere zu dieser anleiten. Und wenngleich es möglich sei, beten und arbeiten zu verbinden, gelte dies für busy sein und beten nicht. Es brauche Zeit und Raum – ein Rückzug aus dem Lärm des Alltags und vom unersättlichen Ich.
Ob hier die Couch als Sitzkissen zurückkehrt?
Auch die Studierstube scheint eine Renaissance zu erfahren. Bei Peterson ganz explizit als Ort, welcher das Eintauchen in die Schrift ermöglicht. Nicht als Zusammenstellen von exegetischem Wissen und als Vorbereitung für den Sonntagsvortrag, sondern als ein durchtränkt werden bis auf die Herzhaut von den Wörtern und dem Wort.
Um dann gewaschen und noch ungekämmt diese Erfahrung zu teilen.
Als letztes bleibt für Peterson die Aufgabe des Hörens. Unzählige Menschen kämen im Verlauf der Woche zu ihm mit Sorgen, Freuden und Geschichten. Nur mit leisure, mit freier Zeit sei es möglich wirklich zu hören. Wobei leisure keine zeitliche Kategorie sei, sondern ein Geisteszustand. Der aber sehr wohl freie Zeiträume erfordere und eine bewusste Pflege des Lauschens. Wenn er in diesem Zustand anderen begegne, dann erfahre sich das Gegenüber als gehört und gesehen – es werde die Seele ganz umsorgt.
Ob es wirklich nur individuelle Gründe wie Eitelkeit und Faulheit sind, welche das Wirken als unbusy pastor verhindern, bedenkt Peterson in seinem Text nicht. Es zeigt sich aber im Verschwinden der Couch und der Studierstube wohl ein Trend, der grösser ist als der individuelle Umgang mit der eigenen Zeit.
Die reformierte Kirche, so scheint es, wurde in ihrem Schrumpfprozess zu einer busy church.
Patrick Schwarzenbach
Die reformierte Kirche, so scheint es, wurde in ihrem Schrumpfprozess zu einer busy church. Ob es strukturelle Eitelkeit oder das Fehlen der Prioritäten ist – oder gar die Schutzreaktion eines gefährdeten Organismus, kann hier nicht entschieden werden.
Ziemlich sicher ist aber, dass die Gesellschaft unsere Events und Emails nicht vermissen wird und dass es am Himmelstor keinen Bonus für tapfer durchgestandene Sitzungen gibt. Viel zu verlieren hat die reformierte Kirche nicht – die Zeit wäre also günstig eine unbusy church zu errichten.
Ein frischer Ausdruck der Kirche, welcher sich neugierig folgenden Fragen stellt. Was wohl geschähe, wenn Stille und Gebet die Mitte unserer Aufgaben bildeten?
Wenn über der Schrift Tag und Nacht gegurrt und geknurrt würde?
Wenn Zuhören unserer Aufgabe wäre? Und das Verweilen beim Geheimnis unser täglich Brot?
Fragen die nur in Ruhe wirken.
Eugene H. Peterson : The Contemplative Pastor. Returning to the art of spiritual direction, Grand Rapids, Eerdmans, 1993.
*Cet article a été traduit à l'aide d'un logiciel de traduction automatique et brièvement révisé avant la publication.
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3 Antworten
Einfach grossartig 💡, sowohl Inhalt wie auch Formulierungen! Danke, Patrick 🩷. Werd ich grad in unsern Konvent bringen. Die Spitalseelsorge ist von dieser busybusybusy Entwicklung genauso bettoffen. Und das mit der Eitelkeit … oje.
Danke Gallus 2.0! Der sitzt und müsste etwas auslösen. Ich frage mich, ob wir das wirklich schaffen, unbusy pastor and church?! Müsste ja nicht als Leistung erzielt werden, sondern aus einer Freiheit heraus geschehen. Und der Artikel könnte dir viele Klicks eintragen, was aber gemäss Aussagen desgleichen nicht das Ziel sein kann….
Das hat etwas. Allerdings tickt nicht jeder Charakter gleich. Man kann dem Handeln auch aus dem Weg gehen, wenn man allzugern Stille und Ruhe und ein gutes Buch hat. Eine effiziente Selbstorganisation ist nicht zu verwechseln mit busybusybusy. Meine Erfahrung nach 27 Jahren Pfarramt ist: Es braucht eine gesunde Balance zwischen ora et labora, hören und sagen, Kontemplation und Aktion. Und wichtig auch: Mache ich etwas für mein Ego oder für die Mitmenschen? Muss ich mich beweisen oder darf ich mich selber sein? Man sollte nicht in seinem Alltag seine Predigten widerlegen…